Wissenswertes über die Kartoffel

Weder Frucht noch Wurzel.

Mit Wurzeln und Früchten hat die Knolle nichts zu tun. Die Früchte der Pflanze sind die giftigen, grünen Beeren, die sich aus den Blüten entwickeln. Die essbaren Knollen hingegen sind unterirdische, verdickte Triebe, in denen die Pflanze Reservestoffe für das Auskeimen einlagert. Sie sind also die Speicherorgane der Kartoffelstaude. Die darin enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe und Stärke benötigt die Knolle im Frühjahr zum Austreiben, der Mensch das ganze Jahr über für seine Gesundheit.
An den Boden stellt die Kartoffel keine großen Ansprüche. Das Einzige was sie nicht mag, sind Staunässe und, anders als die südamerikanischen Sorten, Frost. Einmal in der Erde vermehrt sich die Kartoffel vegetativ und bildet zahlreiche Tochterknollen. Eine Saatkartoffel bringt dabei 10 bis 25 solcher Sprossknollen hervor, die alle mit der Mutterknolle genetisch ident sind. Wer also Kartoffeln isst, verspeist eigentlich immer nur die „Klone“ einer Kartoffel. Das macht die Sorte stabil, verhindert aber die genetische Anpassung an die Umwelt.
Um neue Sorten zu züchten, sind die Samen in den Kartoffelfrüchten gefragt. Sie werden für Kreuzungsversuche verwendet, was die Inkas bereits wussten und erfolgreich für die Schaffung hunderter Sorten einsetzten.

Geschmackliche Farbtupfer.

Spezialitäten aus Südamerika und alte europäische Sorten, die bereits in Vergessenheit geraten sind, bereichern neuerdings die europäische Kartoffellandschaft. Dabei ist an Farben- und Formenvielfalt fast alles möglich, von rot und violett, schwarz oder gelb, bis länglich, oval oder rund. Getupfte und marmorierte Knollen erinnern an bunte Ostereier. Es sind gerade diese exotisch anmutenden Sorten, die die profane Kartoffel auch für den Gourmet wieder interessant machen. So ist die runde „Dakus Round Purple“ unter der violett-rosa gefleckten Schale weiß und die „Blaue Trüffelkartoffel“ besticht durch ihr violett-weißes Fleisch unter einer violett-schwarzen Schale. Die kleinen Knollen der „Red Cardinal“ wiederum zeigen unter der roten Schale eine intensiv rot-weiß gefleckte Marmorierung. Die längliche wohlschmeckende Sorte „Inca Gold“ dagegen verführt durch ihr intensiv gelb gefärbtes Inneres unter einer gelben Schale mit roten Flecken.
Auch auf dem Pflanzenbeet machen die Exoten gute Figur. Je nach Sorte blühen sie wunderschön in weiß, rosa, violett oder blau. In gelb, ähnlich Tomatenblüten, zieren sie ganz selten die Pflanze.
Tausende Sorten sind bekannt. Zu den ältesten und bedeutendsten Sammlungen der Welt zählt das St. Petersburger Kartoffelarchiv mit über 10.000 Kartoffelsorten. Es beherbergt unter anderem wilde Kartoffelpflanzen, die in ihrer Heimat bereits ausgestorben sind, durch den genetischen Pool aber die Züchtung neuer Sorten ermöglichen.

Die Geschichte der Kartoffel

Die Geschichte der Kartoffel beginnt in den Anden, im heutigen Peru und Bolivien. Dort standen die Knollen der Urkartoffel bereits 8.000 Jahre v. Chr. auf dem Speisezettel. Mit der heutigen Kartoffel hatte diese Wildpflanze nicht viel gemeinsam, denn die nur haselnussgroßen Knollen schmeckten wegen des hohen Gehaltes an Solanin kratzig.
Die Inkas entdeckten schließlich die große Stärke der Kartoffel, die ihr zum Durchbruch verhelfen sollte. In 3.000 bis 4.000 Metern über dem Meeresspiegel, wo der Mais nicht mehr wuchs, gedieh die Kartoffel prächtig. Sie kultivierten die Pflanze, schufen hunderte Sorten und entwickelten eine Art Gefriertrocknung, um die Knollen für Jahre haltbar zu machen. Sie setzten dazu die Frost unempfindlichen Knollen mehrere Wochen der Sonne und den Nachtfrösten aus, um ihnen die ganze Feuchtigkeit zu entziehen. Diese „chunos“ werden in den Anden noch heute so hergestellt.
Die „papas“, wie die Inkas die Kartoffeln nannten, waren nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch Medizin und Kultgegenstand. Sie verehrten die Kartoffelgöttin „Aromama“ und die Kartoffel als Fruchtbarkeitssymbol. Wie wichtig die „papas“ für die Inkas waren, zeigt, dass sie sogar Zeiteinheiten schufen, die von der Kartoffel abhängig waren. Eine der Maßeinheiten war die Kochzeit einer Kartoffel.

Der Weg nach Europa

Die Spanier lernten auf ihren Eroberungszügen in der neuen Welt die Kartoffel kennen und beschrieben sie als "mehlige Wurzel von gutem Geschmack, eine für die Indianer sehr angenehme Speise und auch ein wohlschmeckendes Gericht für Spanier“. Mitte des 16. Jahrhunderts fand das „Gold der Inkas“ nach der Eroberung des Inkareiches durch Franzisco Pizarro den Weg an den spanischen Hof.
Ebenfalls auf dem Seeweg gelangten die Knollen durch den Piraten der englischen Königin Sir Francis Drake nach England. Der englische Gelehrte Thomas Harriot kehrte 1586 von seiner langen Forschungsreise im nordamerikanischen Virginia auf einem Schiff der Flotte Drakes, das von der Küste des heutigen Kolumbien kam, nach England zurück. Die Schiffsladung war voll mit Pflanzensammlungen aus Süd- und Nordamerika. So entstand die Legende, Drake habe die Kartoffel in Virginia entdeckt.

Segen oder Fluch?

Der spanische König Philipp II schickte 1565 dem gichtkranken Papst Pius IV eine Kiste schöner Kartoffeln als Medizin. Der Papst misstraute jedoch den Knollen und pflanzte sie statt dessen als hübsche Zierpflanzen in seinen Garten und verfütterte die Knollen an die Schweine. So vorsichtig wie der Papst verhielten sich fast alle Menschen in Europa. Man dichtete der Kartoffel an, dass sie viele Krankheiten verursache wie Lepra oder gar die Pest. Die Kirche verdammte die Knolle als dämonisches, lüsternes Gewächs und als Frucht des Bösen. In Frankreich wurde der Anbau sogar unter Strafe gestellt.
Erst als die Regierenden in Europa den Wert der Kartoffel im Kampf gegen Hungersnöte erkannten, griffen sie zu ungewöhnlichen Mitteln und mancher List und Finte, um die Knolle dem Volk schmackhaft zu machen. Friedrich der Große von Preußen ordnete den Verzehr von Kartoffeln bei Androhung von Stockhieben an. Sein Nachfolger Friedrich II drohte sogar, Ohren und Nase abzuschneiden. Zar Nikolaus I ordnete den Anbau per Gesetz nach russischer Manier an: Entweder Kartoffen pflanzen oder Deportation nach Sibirien.
Die Franzosen hingegen erwiesen sich als sehr listig. Der Apotheker Antoine Auguste Parmentier ließ ein mit Kartoffeln bepflanztes Feld tagsüber streng bewachen und hoffte, dass das Volk die Knollen in der Nacht vom unbewachten Feld stehlen würde, denn nur Kostbares lässt man bewachen. Zugleich schickte er Kartoffeln und Blüten der Pflanze an den französischen Hof. König Ludwig XVI. ließ auch tatsächlich die Kartoffeln servieren und seine Frau Marie Antoinette zierte sich mit den Blüten. So gelang es dem Apotheker, die Kartoffel in allen Schichten salonfähig zu machen - vom Bauern bis zum König.

Die Kartoffel in Österreich.

In Österreich taucht der Erdapfel erstmals um 1620 in Seitenstetten auf. Der Abt des Stiftes, Kaspar Plautz, erhielt von einem belgischen Gärtner Kartoffelknollen und baute sie im Klostergarten an. Er hielt viele praktische Tipps und Rezepte schriftlich fest, unter anderem ein Rezept für Kartoffelsalat. Sonderbar ist jedoch, dass die Kartoffel in der Klosterküche keinen Platz hatte. In Kochbüchern des Klosters aus dieser Zeit ist kein einziges Kartoffelrezept zu finden.
Erst Maria Theresia verpflichtete die Bauern, Kartoffeln anzubauen, da sie ihren Wert bei der Bekämpfung von Hungersnöten erkannte. Speziell im Waldviertel wurde der Anbau befohlen, der sich jedoch nur sehr zögerlich entwickelte.
Ihren endgültigen Durchbruch schaffte die Knolle im bayrischen Erbfolgekrieg zwischen Preußen und Österreich 1778 bis 1779, der besser als „Kartoffelkrieg“ bekannt ist. Die verfeindeten Truppen beraubten sich gegenseitig der Verpflegung und gruben sogar die Kartoffeln aus. Damit war der Weg zum Grundnahrungsmittel in Europa geebnet und der Verzehr lag zeitweise bei 200 kg pro Person und Jahr. Diese Menge wurde nie wieder erreicht.

Das steckt drin

Von ihrem Image als „Dickmacher“ hat sich die Kartoffel längst befreit. Ernährungswissenschaftlerinnen und -wissenschafter haben die Knolle rehabilitiert. Mit nur 70 Kilokalorien pro 10 dag enthält sie weit weniger Kalorien als die gleiche Menge Brot, Reis oder Nudeln. Es sind die fetten Saucen und Zutaten, mit denen sie verspeist wird, die es in sich haben. Die Kartoffel selbst ist nahezu fettfrei.
Die Kartoffel besteht zu fast 80 Prozent aus Wasser, der Rest ist ein schlankes Kraftpaket an leichtverdaulicher Stärke, hochwertigem Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen. Wer viel Kartoffeln zu einer Mahlzeit isst, wird auch satt. Es ist ihr hoher Gehalt an Stärke, der uns satt werden lässt. Kartoffeln schlemmen ist figurbewusst!
Das Beste ist, sich so bunt und abwechslungsreich wie möglich zu ernähren. Nur wer viele verschiedene Obst- und Gemüsearten isst, ist bestens mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt.
Anders ist es mit der Kartoffel. Sie enthält nicht soviel Vitamin C wie die Himbeere oder Carotin wie die Karotte, aber sie hat das ganze Jahr über Saison. Zusätzlich ist es die Menge an Kartoffeln, die gegessen wird. Darin liegen ihre Stärken! Zwei bis drei Kartoffeln liefern die Hälfte an Vitamin C, die der Körper täglich braucht und das auch im Winter. Wenn der Schnupfen und die Grippewelle drohen, liefert die Kartoffel wertvolles Vitamin C, um die Abwehrkräfte zu stärken.
Bei Kalium ist die Knolle Spitzenreiter. Kaum ein anderes Lebensmittel ist so kaliumreich und zugleich natriumarm. Das wirkt sich günstig auf das Herz-Kreislaufsystem aus, vorausgesetzt die Kartoffel wird ungesalzen gegessen.

Zuletzt geändert: Freitag, 13. März 2015, 10:13